Besonders hinweisen möchte ich auf die 5 Einträge während meines ersten einwöchigen Schweige-Retreats von 1. – 5. April 2015 im BZS, dem buddhistischen Zentrum in Scheibbs, Österreich.
Sie geben einen guten Einblick in meine Erfahrungen und Schwierigkeiten.
Hier geht’s zum Blog: Mein buddhistischer Weg
Dazu ergänzend möchte ich allerdings hier eine Erfahrung beschreiben, die ich – warum auch immer – im Blog damals nicht, oder nicht ausreichend gewürdigt habe, die jedoch immer mehr an Bedeutung gewinnt, je länger das Retreat her ist. Denn sie verblasst mit keinem Tag und das ist doch recht erstaunlich im Vergleich mit anderen Erinnerungen.
Es ist eine Erfahrung, die ich mit Nina Herzberg teile. Sie beschreibt eine ganz ähnliche Erfahrung in ihrem wunderbaren Buch „Wie viel mehr hast du geliebt?“ ab Seite 30 im Kapitel „Der kleine Tod“.
Ich war gerade in die „8-Punkte Meditation“ von Ursula Lyon, die das Retreat geleitet hat, vertieft, da scheint sich mein Denken unbemerkt verabschiedet zu haben. Oder es machte eine kleine Pause. Diesen Prozess nennt man den „kleinen Tod“. Klein deswegen, weil der Geist und der Körper ja noch da ist und lebt, aber das, was wir das „Ego“ nennen, ein (neurobiologisches, also materialistisches) Produkt unseres Verstandes, der im Hirn sitzt, plötzlich kurz aussetzt.
Wobei bei mir war das gar nicht so plötzlich. Es begann als Kribbeln, das sich ähnlich anfühlte, wie wenn man eine Gänsehaut bekommt, und sich bald über den gesamten Körper ausdehnte. Und dieses Kribbeln stieg zunächst sanft, dann in einem sich immer stärker werdenden Strom, gleich als ob Ameisen meinen ganzen Körper von unten nach oben durchströmen würden, über meinem Kopf ins All.
Als die Intensität dann sehr schnell zunahm, und ich das Gefühl hatte, ich würde mich als Ganzes einfach in kleinste Partikel ins All auflösen, schaltete sich auch mein Ego-Verstand plötzlich wieder ein und stoppte den Prozess mit einer abrupten Todesangst.
Ich kam nie wieder auch nur in die Nähe dieser Erfahung, die wie ich heut weiß, wahrscheinlich ein sog. „Kundalini-Erwachen“ ist.
Was ich aber sagen kann, dass – obwohl die Sequenz wahrscheinlich nicht mehr als Sekunden, maximal Minuten gedauert hat – ich nachher von zwei völlig veränderten Bewusstseinszuständen erfasst war:
- Unbeschreiblich große Liebe und Mitgefühl für die Menschen um mich herum: hatte mich noch Sekunden vor der Erfahrung eigentlich alles an meinen Mitpraktizierenden zumindest ein wenig genervt – ihr Atem, ihr Räuspern, ihre Bewegungen, alles hatte mich abgelenkt von meiner Praxis und ich wünschte, ich wäre allein – war danach nur noch Liebe für alle Wesen und natürlich insbesondere der in meiner unmittelbaren physischen Umgebung. Das erinnerte mich sehr an den Buddhisattva Avalokiteshwara (tibet. Chenresing), der der 1000-ärmige genannt wird und deshalb auch mit vielen Armen dargestellt wird, weil er – und genauso empfand ich auch – solch unglaubliches Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen ob ihres Leidens empfand, das er sie alle am liebsten mit seinen 1000 Armen gleichzeitig umarmt hätte.
Jetzt weiß ich auch, warum man Zuflucht nimmt zu Buddha, Dharma und Sangha: das Sangha war wahrscheinlich mitverantwortlich, da sich in einem Raum voller Praktizierender die Schwingung erhöht und damit die eigenen Prozesse mitträgt, anhebt und beschleunigt. - Das zweite war ein unglaublich beruhigendes Gefühl von „Richtigkeit“. Es war plötzlich klar, dass alles was ist, nicht nur genauso ist wie es sein sollte, sondern auch genau so wie es ist, gut ist. Eine Gewissheit, durch die sich ein unbeschreiblicher Friede in mir ausbreitete. Zum ersten Mal in meinem Leben haderte ich nicht mehr mit dem Tod, und ich empfand auch keinerlei Gefühl von Ungerechtigkeiten mehr in der Welt, obwohl diese doch scheinbar offensichtlich und allgegenwärtig sind.
Alles war gut und richtig. Genauso wie es war.
Wie schon gesagt hatte ich dieser Erfahrung damals keine so große Bedeutung zugemessen. Meine Todesangst, oder besser gesagt die Angst meines Egos vor dem „kleinen Tod“, die die Erfahrung beendet hatte, und mein Tinnitus waren mir damals offenbar näher. Doch je weiter diese Erfahrung in die Vergangenheit rückt, umso lebendiger wird sie in mir und macht heute den Kern des Retreats aus.
Ich bin sehr dankbar, auch wenn mir das vollständige Erwachen – wenngleich vielleicht zum Greifen nahe – leider versagt geblieben ist. Aber für diesen kurzen Blick durch den Türspalt bin ich unendlich dankbar und wenn ich daran denke, erfüllt sie mich noch heute mit Friede und Liebe. Denn in diesem Moment hat sich all die buddhistische Theorie in erfahrbares Wissen verwandelt.
Ich weiß seither was es bedeutet, wenn aus Glaube Gewissheit wird.
Dennoch hat es 5 Jahre gedauert, bis ich dieses Wissen auch in meine Arbeit mit einfließen lassen wollte und nochmal 3 Jahre, um es heute auf dieser Seite mit euch zu teilen.